Kern, Kurt
*1886/9/27 @ A - Wien
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Biographisches etc.:
- LexM / Institut für Historische Musikwissenschaft der Universität Hamburg
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archive.org: ZEITSCHRIFT FÜR MUSIK - 1927
"Kurt Kerns (Wien-Leipzig) Klaviersextett (für Klarinette, Horn, Streichtrio und Klavier), das vom Gewandhausquartett zur Uraufführung gebracht wurde, ist nunmehr nach zahlreichen, erfolgreichen Aufführungen auch vom Dresdener Tonkünstlerverein zur Erstaufführung angenommen worden.
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Kurt Kern
Schon vor dieser Leipziger Zeit waren Werke entstanden. Das erste kleine Fantasiestück trägt die Jahreszahl 1900. Bald folgten zwei Sonaten, die deutliche Spuren des Anfängertums zeigen. 1902 schuf Kern bereits einen Sonatensatz, der formell eine gewisse Geschlossenheit zeigt. Weitere Versuche auf dem Gebiete der Sonate, der Kammermusik und sogar der Sinfonie wurden in den folgenden Jahren unternommen, blieben aber infolge strenger Selbstkritik des Komponisten verschlossen. Endlich 1910 wurde ein erster Sonatensatz größeren Stils vollendet, der über eine Terz als Thema beachtenswerte Arbeit aufweist und durchaus ernst genommen zu werden verdient. Noch prägt sich aber in dem Werke des damals vierundzwanzigjährigen Komponisten sein Stil nicht aus und man erkennt beim Vergleich mit der Entwicklung anderer Tonsetzer, daß Kern ein spät zur Reife gelangendes Talent ist.
Starke Ansätze zu eigenem Stil werden aber in den „Variationen für großes Orchester", Op. 10, die geteilte Streicher, Klavier, Harfe und Celesta zu der wohlklingenden, filigranartigen Instrumentation heranziehen, spürbar. Das Werk erweist eine starke melodische Erfindungsgabe und bringt vielfach genau variierend eine Reihe auch inhaltlich zusammengehöriger Charakterstücke.
Einen weiteren Schritt vorwärts zum Eigenstil, der aber noch nicht restlos eindeutig erkennbar wird, bedeuten die gewaltigen „Dreißig Variationen für Klavier", Op. 13. Hier fesselt vor allem das Hauptthema mit seinem ernst lapidaren Charakter, das in seiner Skalenbildung und seiner sofort auffaßbaren Harmonik als ideales Variationsthema bezeichnet werden darf. Bietet es doch nach der Seite der liedmäßigen wie der harmonischen Veränderung eine ungewöhnliche Fülle fesselnder Abwandlungsmöglichkeiten, die der Komponist in einer auch für den Pianisten sehr wirksamen Weise auszunutzen verstanden hat. Eine große, weitausladende Coda versucht in einer machtvoll aufgebauten Entwicklung in der Art einer Chaconne das Ganze zu krönen.
In voller Klarheit wirkt sich Kerns Stil in dem genialischen „Sextett für Streichtrio, Klarinette, Horn und Klavier", Op. 19, das in den Jahren 1911 bis 1919 entstanden ist, aus. Kern gibt in diesem Werke keinerlei von äußeren Eindrücken beeinflußte Programmusik, sondern absolute Musik, eine Ausstrahlung seelischer Vorgänge. Charakteristisch ist es zu beobachten, wie hierbei eine Kleinigkeit seine schöpferische Phantasie zu befruchten vermocht hat. Aus einem absteigenden Quartenschritt, dem sich eine aufsteigende kleine Sext und eine große Terz anschließen, ist das ganze Werk herausgewachsen. In diesem Motiv lagen für Kern bereits so viele Spannungs- und Lösungsmomente, daß er nach der Aufstellung des Themas das ganze Gewicht der weiteren Fortentwicklung des Satzes in die Durchführung verlegen kann, die nach einem schweren, dreimal sich aufbäumenden Ringen zu einem Zusammenbruch führt. Man empfindet deutlich, daß in dem stark homophonen Satz, der freilich auch zahlreiche polyphone Stellen aufweist, die Fortführung der musikalischen Gedanken ihre Antriebe durchaus von der Linienwirkung empfängt. Nur an zwei Stellen, an denen die Motivik auf ein Ziel zustrebt, sind harmonische Triebkräfte wirksam. Ebenso ist es im zweiten Satz, der auf fünf skalenartig angeordneten Tönen aufgebaut ist, und der in seinen apathisch-haltlosen, oft bizarren Stimmungen als seelische Reaktion zu dem ersten folgen mußte, um am Schlüsse zu einer Lösung hinzutreiben. In der unmittelbar folgenden Romanze wird die Stimmung freundlicher und gefestigter, träumerische Zwischensätze bereiten die weitausholende Coda vor, die in ausdrucksstärkster Kontrapunktik zu einer Verklärung und zartem Ausklingen leitet. Freude und Innigkeit sind die Pole, um die der letzte Satz sich ausschwingt, dessen thematischer Gehalt aus dem vorangehenden Satze entwickelt ist. Mannigfaltig sind überhaupt die Beziehungen motivischer Art, die von einem Satz zu dem anderen gesponnen werden. Sie bewirken, daß das Werk trotz der fast eine Stunde währenden Aufführungsdauer einen ungewöhnlich prägnanten Eindruck hinterläßt. Dieser erklärt sich auch daraus, daß die Thematik eine ungeheure Spannkraft hat, und daß sich in den Themen selbst schon gewisse Durchführungselemente regen. Auffallend ist die Behandlung der Instrumente. In erster Linie weicht der Klaviersatz von dem Herkömmlichen ab. Das Klavier ist bei Kern nicht hauptsächlich rhythmische oder harmonische Stütze oder Verstärkung, sondern dient ihm als wesentliches Mittel zur Untermalung des Klanges und als wesentlicher Faktor zur thematischen Weiterbildung. Oft wirft es nur einen Akkord dazwischen oder schweigt wie in der Coda der Romanze ganz. Dadurch wird ein Wechselspiel von Klanggruppen (Klavier und Streicher), wie es für Schumann und Brahms charakteristisch ist, ebenso vermieden, wie die Anwendung stereotyper Triolen- und anderer Füllfiguren, die z. B. Mendelssohns Kammermusik so zeitig haben antiquieren lassen. Auch im Satz der übrigen Instrumente herrscht größte Sparsamkeit in der Anwendung der Mittel, die irgendwie an die Subtilität der Handzeichnungen alter Meister des 15. und 16. Jahrhunderts gemahnt. Infolgedessen ergibt sich eine Klangwirkung, die von allergrößter, wohlabgewogener Feinheit ist und in der Farbe durchaus eigenartig wirkt. Noch deutlicher empfindet man dies bei dem Streichquartett, das dem Sextett gegenüber eine satztechnisch noch bedeutsam verfeinerte Arbeit aufweist. Wie hier jede Stimme mit höchster Selbständigkeit geführt wird und sich doch der höheren Idee unterordnet, jeder einzelne Ton gegen den anderen Ton abgewogen ist, läßt eine Meisterschaft und eine künstlerische Gestaltungskraft von außergewöhnlicher Bedeutung erkennen. Hier spürt man deutlich, daß ein Eigener am Werke ist, der sich weder auf einen homophonen, noch auf einen polyphonen Stil festlegen kann, der abseits von aller bewußter Technik und Routine nur so schreiben kann, wie er muß.
Es würde zu weit führen, hier alle Werke des Komponisten, unter denen sich Sonatensätze in allerlei Besetzungen, ein Scherzo für Bläser, Stücke für Violine allein und mit Orgel, für Flöte und Klavier usw. vorfinden, zu besprechen. Es ziemt aber, noch der zahlreichen, tanzartig gestalteten Stücke zu gedenken, die die starke melodische Begabung des Komponisten ebenso vorteilhaft zeigen als seine formale Gestaltungskraft.
In den „Wiener Tänzen“, Op. 25, 1, ist bei einzelnen Stücken der Ländlercharakter noch deutlich erkennbar, während andere schon namentlich in den Mittelsätzen sich der sinfonischen Schreibart annähern. Sie muten so schlicht und einfach an, als ob sie aus dem Volke Wiens stammten und doch sind sie bei näherem Zusehen wunderfeine Kunstgebilde, die nur einer vollkommen in sich ruhenden, echt musikantischen Schöpfernatur entstammen können.
Diese dokumentiert sich auch in den „Sinfonischen Tänzen", Op. 25, 2, die konzentrierte Arbeit enthalten. Weihnachtliche Stimmungen schwingen im ersten aus, beschaulich ernste Stimmungen werden von leidenschaftlichen, im zweiten Tanz abgelöst, dessen komplizierter Mittelsatz in ein düsteres, marschartiges Andante übergeht, während der dritte derb einhertappt und der vierte sich in ausgedehnter Sonatenform mit reicher Kontrapunktik ergeht. Als bedeutendstes Stück erscheint aber der „Gasteiner Walzer“, Op. 25, 3, der in gewisser Weise auf Johann Strauß fußend, seinen Stil sinfonisch weiter entwickelt und in der Instrumentation weit über ihn hinausgeht und mit bestem Gelingen versucht, den Tanz in die Regionen der Sinfonik emporzuheben, ohne ihm sein Kostbarstes, die leichtfaßliche Melodik, zu rauben. Hier erkennt man gleichfalls deutlich, daß sich der Stil Kurt Kerns durch eine Kontrapunktik, die durchaus nach einer selbständigen Spannung und Entspannung strebt, und durch eine Harmonik, die nicht als Fortleitungs- und Wirkungsmittel, sondern als Ergebnis konsequenter Führung der Einzelstimmen wirkt, ohne dabei an Farbenreiz einzubüßen, sowie durch eine urgesunde, flüssige Rhythmik charakterisiert. So steht Kerns Schaffen abseits von der Mode und vom Lärm der Parteien, als Ausdruck einer fest in sich ruhenden Persönlichkeit, die ihrem „Dämon“ folgend höchsten Zielen zustrebt." -
archive.org: ZEITSCHRIFT FÜR MUSIK - Februar 1928
"Zu unseren Musik- und Bilderbeilagen. Die diesem Hefte beigegebenen beiden Musikstücke stammen von zwei Leipziger oder doch in Leipzig lebenden Komponisten. Kurt Kern ist Österreicher und hat vor allem Kammermusikwerke geschrieben. Seine Sarabande für Violine und Klavier wird unsern Violinspielern sehr willkommen sein, da sie in ihm ein dankbares Vortragsstück von wirklichem Wert finden werden. Auf breitem harmonischem Grunde erhebt sich eine wohlgeformte, konzentrierte Melodie mit echt aus der Violine erfundenen Doppelgriffen; dabei hat die Melodie zugleich Improvisatorisches, das nun aber doch auf fester Formung beruht. ...
Kurt Kern: Streichquartett op. 27 (Leipziger Rundfunk, Mitteldeutscher Komponistenabend des Gewandhausquartetts).
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Die erste heuer hier zu hörende neue Komposition war das Klavier-Sextett des in Leipzig lebenden Österreichers Kurt Kern, welches, in Deutschland schon seit längerem bekannt, erst jetzt seinen Weg hierher fand und durch das Sedlak-Winkler-Quartett im Verein mit den Herren F. Wührer am Flügel, C. Stiegler (Horn) und V. Pollatschek (Klarinette) eine klangschöne Interpretation erfuhr. Das für Spieler wie Hörer gleich anspruchsvolle Opus interessiert durch seine reiche Polyphonie, die jeder Instrumentalstimme ein Eigenleben sichert, und eine nicht gewöhnliche Harmonik, ohne jedoch ins Atonal-anarchische zu verfallen; durch einen die überlieferten Formen rhapsodisch freier behandelnden Aufbau; durch Mannigfaltigkeit der Stimmungen in den einzelnen Sätzen, der düsterer Kampf im Eingangsallegro ebenso vertraut ist wie Bizarrerie im Scherzo, süße italienische Romantik im Andante oder die saftige Freudigkeit des Finales. Insbesondere in den Seitenthemen spürt man den Einfluss der weichen Wiener Luft, welche die Jugend des Autors umgab, die Vorboten der "Symphonischen Tänze" und der "Gasteiner Walzer" desjenigen noch weit ausgestaltungsfähigen Gebietes, auf welchem diese Begabung die natürlichste und dankbarste Betatigung finden konnte. Die Novitat fand beim Publikum eine sehr herzliche Aufnahme, und der Komponist durfte sich mit den Ausführenden oft verneigen." - Adler, Guido Handbuch der Musikgeschichte, Bd. 2, Band 2
- Greene, Frank - Composers on Record: An Index to Biographical Information on 14,000 ...
- geni.com
- WBIS: 1 / 2
Werkverzeichnis(se) etc.:
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Piano "plus" | |
Sarabande [Violine/Klavier] |
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